Dieter Holzapfel hört im Gemeinderat auf

Die Freien Wähler auf

den Wandel getrimmt

Herrenberg: Stimmenkönig, Königsmacher, Fraktionschef – Dieter Holzapfel verlässt den Gemeinderat

Entspannt, gelassen und zufrieden: Dieter Holzapfel hört als Gemeinderat auf.
GB-Foto: Holom

Manchmal hat sich Dieter Holzapfel die Ruhe und Sachlichkeit, die er im Gemeinderat ausstrahlt, hart erarbeiten müssen. Direkt vor den Sitzungen.

„In meiner Mucki-Bude“, wie er über sein üppig ausgestattetes Fitness-Studio im Keller scherzt. Wenn ganz harte kommunalpolitische Nüsse zu knacken waren, musste sogar der Sandsack herhalten. Innerlich hat es in den Debatten oft gebrodelt, vor allem bei ideologischen Zuspitzungen. Aber sich möglichst zu beherrschen, gehört zum Stil von Holzapfel, der seit 1989 dem Herrenberger Stadtparlament angehört. 14 Jahre lang war er Fraktionschef der Freien Wähler (FW) und der Vorgänger-Gruppierung, der Unabhängigen Bürgerliste (UBL). Dieter Holzapfel steht wie keiner sonst für den Wandel im Lager derer, die sich als parteifern definieren. Die Gründung des FW-Stadtverbands neben der Fraktion, die inhaltliche und personelle Neuaufstellung, die Umbenennung – dieser Prozess in den Jahren zwischen 2004 und 2009 trägt seine Handschrift. Den Rückzug hat er schon vor einem Jahr aus freien Stücken selbst eingeleitet, die Fraktionsspitze ist darauf neu geordnet worden und Thomas Deines übernahm den Vorsitz. Nun setzt Dieter Holzapfel den Schlusspunkt, am 18. Juni ist seine Verabschiedung aus dem Gemeinderat terminiert.

Mit Politik hatte der 66-Jährige einst nicht viel am Hut. Prägend für ihn waren die Erfahrungen des Vaters, der sich den Nationalsozialisten zugewandt hatte und seinen „fürchterlichen Irrtum“, wie es Holzapfel ausdrückt, zu spät erkannte. „Er hat mir das Versprechen abgenommen, keiner Partei beizutreten.“ Extremismus und rechtes Gedankengut lehnt Holzapfel nicht nur konsequent ab, solche Auswüchse verursachen schon fast allergische Reaktionen. Als ihm ein Hakenkreuz an die Hauswand geschmiert wurde, habe ihn das ins Mark getroffen. Bei diesen Worten wird er ganz leise. Die Kriegswirren waren auch dafür verantwortlich, dass Dieter Holzapfel im Bauernhaus der Großmutter in Weißach am 11. Oktober 1946 geboren wurde. Danach aber spielte sich sein Leben in Herrenberg ab, wo der Großvater 1927 ein Uhrmachergeschäft eröffnet hatte. So war der berufliche Weg nach Kindheit und Schule vorgezeichnet, der Uhrmacherlehre in Böblingen folgte die Übernahme des elterlichen Geschäfts in der Bronngasse 1974. Dem Handwerk fügte Holzapfel die Weiterbildung zum Juwelier und Diamantgutachter hinzu.

Ohne den Anstoß der einstigen UBL-Vorleute Walter Diether und Winfried Funk hätte Holzapfel wohl nicht für den Gemeinderat kandidiert, gleicht auf Anhieb schaffte er 1989 den Sprung ins Gremium. Mit 8 500 Stimmen avancierte er bei der letzten Gemeinderatswahl zum absoluten Stimmenkönig in der Stadt. Auch in den Fraktionsvorsitz hat sich Holzapfel nicht gedrängt. 1994 wurde er zum „Vize“ gewählt, 1999 rückte er an die Spitze. Anfangs vertrat er den schwer erkrankten und dann früh verstorbenen Fraktionssprecher Winfried Funk noch kommissarisch.

„Als Vorsitzender der UBL ist mir rasch klar geworden, dass wir etwas ändern müssen“, erinnert sich Holzapfel an diese Zeit. Personell und inhaltlich sei die Arbeit kaum mehr tragfähig gewesen, „wir galten als Anhängsel der CDU und haben eine breitere Basis gebraucht“. Die Diskussion um den Schlossbergtunnel gab ihm den Anstoß, den FW-Stadtverband zu initiieren, in dem sich – unabhängig von der Fraktionsmeinung zu einer einzelnen Sachfrage – im Grundsatz gleichgesinnte mit politischen Themen beschäftigen. Gegner des Schlossberg-Tunnels sollten dennoch Freie Wähler bleiben können. Dass dieses Kalkül aufgegangen ist, macht Holzapfel schon ein bisschen stolz. So rückt für ihn nun der damalige IG-Sprecher der Tunnelkritiker Rainer Braun in den Gemeinderat nach, der im Übrigen inzwischen den FW-Stadtverband führt. Wobei: Dem Schlossberg-Tunnel trauert Holzapfel nicht wirklich nach. Er habe das Projekt immer zuerst als Option gesehen. Dass der Bund dafür kein Geld gegeben hat, war für ihn so überraschend am Ende nicht.

Die von Holzapfel betriebene Öffnung für neue Ideen bis hin zu Menschen, die auch mal quer denken, hat sich bei der letzten Kommunalwahl ausgezahlt. Nach dem Abschied vom „verstaubten UBL-Image“ (Holzapfel) trat 2009 erstmals die runderneuerte Freie-Wähler-Liste an – und löste die CDU als stärkste Fraktion ab. Holzapfel fühlt sich bestätigt: „Das war eine schöne Sache, als UBL hätten wir das nie geschafft.“

Alles andere als spannungsfrei war Holzapfels Verhältnis zum langjährigen Oberbürgermeister Dr. Volker Gantner, der sich, obzwar selbst ein Parteiloser, der Gefolgschaft der Freien Wähler im Gemeinderat nicht immer sicher sein konnte. Für jeden offenkundig wurde dies in der Entscheidung über das Museum im Fruchtkasten, das Volker Gantner schon weitgehend finanziert glaubte, CDU und Freie Wähler aber in letzter Minute vor dem Risiko einer kostspieligen Sanierung zurückschreckten. Holzapfel: „Ich würde mein Verhältnis zu Dr. Gantner als konstruktiver bezeichnen, als er es im Nachhinein getan hat. Wir waren nicht immer einer Meinung und die haben wir uns gegenseitig an den Kopf geworfen. Vor seiner Leistung für die Stadt habe ich aber allergrößten Respekt. Wir haben zusammen viel bewegt.“ Zuförderst nennt Holzapfel die Nordumfahrung, von deren Sinnhaftigkeit er unverändert überzeugt ist. Aber auch die Südumfahrung, Schulerweiterungen und Sporthallen oder die Verlegung der Stadtwerke seien unstrittige Projekte gewesen.

Wie alle anderen im Gemeinderat war Dieter Holzapfel 2007 vom Rückzug Dr. Gantners komplett überrascht. Lange zu überlegen hatte er danach nicht. „Ich habe am nächsten Tag Thomas Sprißler angerufen.“ Das Ergebnis ist bekannt, der Mötzinger Bürgermeister setzte sich in der Stichwahl in Herrenberg mit 64,7 Prozent überragend durch. Holzapfel: „Das war das Highlight meiner kommunalpolitischen Zeit.“ Die eigene Euphorie von damals ist ihm noch gegenwärtig, was Sprißler aus dem OB-Wahlsieg gemacht hat, findet der Freie-Wähler-Mann überzeugend. „Er ist konsensfähig und akzeptiert die Meinungen im Gemeinderat. Die Arbeit mit ihm ist nicht weniger zielstrebig als mit Dr. Gantner, aber viel entspannter. Manche Dinge dauern vielleicht etwas länger, aber dafür sind die Mehrheiten breiter und die Akzeptanz in der Bevölkerung ist größer.“

Gerade auch, weil sich die Arbeit im Gemeinderat so gut entwickelt hat, fällt es Dieter Holzapfel leicht, jetzt loszulassen. Dabei räumt er ein, dass es seine Fraktion nicht immer leicht mit ihm hatte, hinter verschlossenen Türen konnte Holzapfel temperamentvoll werden. Zu delegieren und andere Meinungen zu hören, sei nicht immer seine starke Seite gewesen. „Aber ich habe dazugelernt.“ Dankbar ist er für die Teamarbeit bei der Fraktionsführung, insbesondere für die ausgleichende Art von Hans-Jörg Haarer, seinem langjährigen Stellvertreter. Nicht missen möchte Holzapfel die menschlichen Erfahrungen im Rat, die ihn selbst weitergebracht haben. „Die beeindruckende Geradlinigkeit ehemaliger Gemeinderäte wie Manfred Eipper oder Otto Riethmüller habe ich mir zum Vorbild genommen.“ Auf diese Konsequenz hat sich Holzapfel auch gestützt, als er in zwei Fällen Fraktionsmitglieder zum Ausscheiden drängen musste, weil in der Öffentlichkeit ernsthafte Zweifel an deren persönlicher Integrität aufgekommen waren. Das hat er ebenso gemeistert wie die schwierige Zeit, als ihm Kritiker der Nordumfahrung mit offener Feindschaft begegneten. Spuren haben solche Angriffe durchaus hinterlassen, auch wenn es nicht unbedingt seine Art ist, innerliche Blessuren nach außen zu kehren. Aber die Dauerbelastung von Selbstständigkeit und politischem Ehrenamt brachte ihn immer wieder physisch an die Grenzen.

Seit er im Gemeinderat kürzer tritt, hat Holzapfel nur noch selten Kontakt mit seinem Sandsack. Dafür geht es mehr denn je zum Joggen oder mit dem Mountainbike in den Schönbuch. Und im Geschäft mischt er natürlich weiter mit. Er freut sich jetzt, auf mehr Familie und Zeit mit seiner Ehefrau Roswitha. „Für sie war es nicht immer einfach.“ Da hat er einiges nachzuholen.
HARALD MARQUARDT Gäubote 1. Juni 2013

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